Hier stimmt etwas nicht...

… dieser Halbsatz des Pränatal-Spezialisten war der Anfang vom Ende, der Anfang unseres schweren Wegs durch Angst, Ungewissheit und Trauer. 

 

Da kam der überglückliche und stolze Papa zum ersten Mal mit

 

Kurz vor Ostern 2017 habe ich den ersten Schwangerschaftstest in meinem Leben gemacht – mit 37 Jahren! Ich war überfällig und sicher, das hing mit Absetzen der Pille zusammen.  Doch kaum fertig, zeigten sich sofort zwei dicke Striche. Ich konnte es nicht glauben und musste noch einmal auf der Verpackung nachsehen was zwei Striche wirklich bedeuten. Da stand „schwanger“. Was?  Das kann doch nicht sein, wir haben es doch erst einmal versucht. Wir konnten unser Glück nicht fassen. Und mein persönlicher Traum wurde wahr – ein Dezemberbaby. Weihnachten sind wir also zu Dritt. Fantastisch! Wir behielten es die erste Zeit für uns und genossen unser Glück. Dann weihten wir nach und nach unsere Familien und engsten Freunde ein. Mitte Mai sind wir in den Urlaub gefahren und freuten uns auf den sehr aufregenden Termin, der zuhause auf uns wartete: Die Nackenfaltenmessung in der 13. Schwangerschaftswoche. Da kam der überglückliche und stolze Papa zum ersten Mal mit. Baby-TV auf den großen, tollen Bildschirmen, ein bequemer Sessel und Zeit – beste Voraussetzungen also alles ganz genau zu sehen und aufzusaugen. 

 

Das Ersttrimesterscreening

 

Wir platzten fast vor Vorfreude, aber wir mussten noch Papierkram ausfüllen, lange warten und ein Vorgespräch führen. Nicht so schlimm, waren wir beide doch der festen Überzeugung, dass alles bestens ist. Nicht einmal ich Angsthase hatte Bedenken. Und dann lag ich endlich auf der Liege. Wir bekamen das Lächeln nicht mehr aus dem Gesicht und warteten auf den jungen Arzt. Er setzte endlich den Ultraschall-Kopf auf meinen Bauch und schallte – wahrscheinlich wenige Sekunden lang. Und dann kam der Satz, der unser Leben von einem Moment auf den nächsten für immer veränderte: „Hier stimmt irgendwas nicht“. 

 

Zwischendurch gab es einen Hoffnungsschimmer

 

Ich spürte meinen eigenen Herzschlag, ich hatte Panik im ganzen Körper und verstand nicht, was hier passierte. Er schaute konzentriert und führte den Schallkopf immer wieder hin und her, zoomte heran, ging mit dem Kopf näher heran. Er schaute sorgenvoll und verstummte. Er sagte einfach nichts. Dann rückte er raus: „Das Baby ist zu klein, die Größe passt nicht zur Schwangerschaftswoche.“ 

Die restliche Untersuchung zog sich ins Unerträgliche – sie wurde sogar für eine Stunde abgebrochen, damit die anderen Patientinnen vorgezogen werden konnten und er am Schluss genug Zeit für uns hatte. Lieb gemeint, falsch gemacht. Die Warterei  war eine Höllenqual, die Fortsetzung der Untersuchung auch. Zwischendurch gab es einen Hoffnungsschimmer, vielleicht war der Eisprung gar nicht zum vermuteten Zeitpunkt, möglicherweise die letzte Periode nicht richtig dokumentiert. Aber ich wusste, dass ich alles gewissenhaft notiert hatte. Doch nach der Untersuchung des Herzens und anderer Parameter war das Puzzle schnell für den Arzt gelegt: Starker Verdacht auf Triploidie! ALLE Chromosomen liegen dreifach vor – nicht lebensfähig! Sehr selten und eine miese Laune der Natur, nicht vererbt und unabhängig vom mütterlichen Alter. Ich wollte das nicht wahrhaben. Die Worte des Arztes zogen nur so an mir vorbei. Ich machte zu, war geschockt, erschüttert, fassungslos. Ich dachte nur noch: „Was sagt er da? Wovon redet er? Meint er unser Baby? Der lügt doch! Ob er wirklich ein guter Arzt ist…?“ Ich sah hilflos zu meinem Verlobten und hoffte ihn lächeln zu sehen. Vielleicht fasste ich die Fakten nur falsch auf? Aber mein immer gut gelaunter Lebenspartner, mein Fels in der Brandung, mein Optimist war kalkweiß im Gesicht und hatte den betroffensten Gesichtsausdruck, den ich je an ihm gesehen hatte. Es war also wahr! 

 

Wir setzten uns ins Auto und weinten hemmungslos vor Schmerz

 

Aus dem dringenden Verdacht musste nun per Plazentabiopsie eine zuverlässige Diagnose werden. Aber typisch für fetale Triploidie ist auch die dünne Plazenta der Mutter. Meine war so dünn, dass er sich nicht an die Biopsie wagte. Wir sollten zwei quälende Wochen abwarten, ob sie wächst und machen sie dann. Stunden nachdem wir voller Vorfreude und Zuversicht in die Praxis kamen, verließen wir sie nun – todtraurig, ängstlich, niedergeschmettert und ohne jede Hoffnung. Wir setzten uns ins Auto und weinten hemmungslos vor Schmerz… Zwei schreckliche Wochen vergingen, mein Verlobter landete zwischenzeitlich mit akuter Magenschleimhautentzündung per Notarzt in der Klinik. Man dachte es sei das Herz. Aber es war der Magen, der litt. Und zwar nicht organisch, sondern vor Kummer… 

verließen wir sie nun – todtraurig, ängstlich, niedergeschmettert und ohne jede Hoffnung. Wir setzten uns ins Auto und weinten hemmungslos vor Schmerz… Zwei schreckliche Wochen vergingen, mein Verlobter landete zwischenzeitlich mit akuter Magenschleimhautentzündung per Notarzt in der Klinik. Man dachte, es sei das Herz. Aber es war der Magen, der litt. Und zwar nicht organisch, sondern vor Kummer… 

 

Aus Verdacht wird Diagnose

 

Nach zwei Wochen machten wir uns auf den Weg zur Plazentabiopsie. Die Aufregung war genauso heftig, aber negativer Natur. Wir wussten, es würde sich nicht zum Guten wenden, zu genau passten alle Auffälligkeiten auf dem Ultraschall zur Triploidie – trotz einem perfekten Nackenfaltenwert. Das wusste ich nun, denn ich habe in den zwei Wochen gefühlt alles gelesen, was es überhaupt zur Triploidie gibt, streichelte meinen Bauch, redete mit meinem kleinen Bauchbewohner und betete für ein Wunder. Ich bat mein Baby durchzuhalten, obwohl ich wusste, dass die arme kleine Maus genauso machtlos wie ich ist... 

Mir wurde schon schlecht, als ich den Arzt sah. Er ist derjenige, der all unsere Träume platzen ließ. Ich übertrug so viel Wut auf ihn persönlich, ich wollte am liebsten gar nicht mit ihm reden. Er machte nochmal einen Ultraschall, aber der Befund war noch katastrophaler. Also ließ ich diese sehr schmerzhafte Biopsie über mich ergehen, denn ich brauchte Gewissheit. 

 

Der Anruf besiegelte das Schicksal unseres Babys

 

Zwei Tage später riefen wir unter größtem Herzklopfen im Genetikum an. Ich konnte kaum atmen vor Angst, denn dieser Anruf besiegelt das Schicksal unseres Babys final. Ich hoffte, dass einfach keiner rangehen würde. Aber natürlich meldete sich der Arzt und aus Verdacht wurde Diagnose. In allen untersuchten Zellen wurde die Triploidie gefunden – nicht mit dem Leben vereinbar. Ich wollte schreien und in einem Loch verschwinden. Aber wir wollten das Geschlecht wissen. Wir waren uns aber beide sicher, dass es ein Junge ist. Und wir sollten uns täuschen: in mir wuchs ein kleines Mädchen. Unsere kleine Lotta. 

Trotz allem Leid – ich war so glücklich über mein Mädchen. Erst da begriff ich, wie sehr ich mir ein Mädchen wünschte. Auf einen Jungennamen hatten wir uns bis dahin nicht einigen können, aber den Namen Lotta haben wir im Urlaub schon fest ausgesucht. Der Name war einfach da und wir sagten beide sofort ja dazu. Danach haben wir die Bedeutung des Namens nachgeschlagen: Lotta heißt „die Freie, die Kraftvolle“. Wie wahr, wie passend. Denn unser Lottchen war kraftvoll. Sie hielt bis zur 18. Schwangerschaftswoche durch. Niemand hatte ihr so viel Zeit gegeben, sie hätte mit dieser Diagnose schon früh abgehen müssen. Aber wir haben es zusammen in den 5. Monat geschafft. 

 

Sie hätte ja sowieso keine Chance

 

Nach der Diagnose riet man uns zum Abbruch der Schwangerschaft. Sie hätte ja sowieso keine Chance. Aber das kam für mich nicht in Frage. Lotta sollte selbst entscheiden, wann sie gehen will und ich hätte es niemals übers Herz gebracht, für sie zu entscheiden. Also trug ich sie weiter und ließ immer wieder beim Arzt schauen, ob ihr Herzchen schlug. Und es schlug, sogar kräftig. Das passte zu ihr, war sie doch bei jedem Ultraschall so aktiv und sportlich. Meine kleine Trampolinspringerin. 

 

Wir müssen sie gehen lassen….

 

Zwei Wochen später gingen wir in die Uniklinik Tübingen, um uns vorzustellen und zu besprechen, was auf uns zukommt, wenn Tag X da ist. Zuvor wurde aber nochmal nach ihr geschaut. Und wir ahnten nicht, dass das schon Tag X war. Keine Spur von der kleinen Trampolinspringerin, alles war ganz ruhig, sie bewegte sich nicht mehr und ihr kleines krankes Herzchen schlug nicht mehr. Ich habe das sofort gesehen, als er den Schallkopf ansetzte. Unsere Lotta war schon zu den Sternen gereist und jetzt war sie nicht mehr nur die Kraftvolle, sondern auch die Freie. 

Trotz aller Vorbereitung war es ein unfassbarer Schlag. Diese Ruhe auf dem Bildschirm war ein tiefer Stich ins Herz. Wir konnten gar nichts mehr sagen und ich hatte Angst vor dem, was jetzt kam. 

Und dann ging alles schnell. 

Wir wurden sofort stationär aufgenommen und nach allen Vorgesprächen leitete man um 17.45 Uhr die Geburt ein. Insgesamt leitete man 3x ein, ich hatte starke Wehen, aber es tat sich nichts. 

Die Hebamme sagte, ich müsse sie gehen lassen. Wie das geht, konnte sie mir aber auch nicht sagen.

 

Das war der stolzeste Moment

 

Viele Wehen und eine schmerzhafte Nacht später platzte morgens um 5.20 Uhr die Fruchtblase und um 5.50 Uhr war Lotta still geboren. Das war der schönste und stolzeste Moment in unserem ganzen Leben. Sie war so perfekt und süß. Es waren keine äußeren Schäden zu sehen und ich war tief gerührt von meinem kleinen Mädchen. Sie war fertig, alles war an ihr dran, sie hätte nur noch ein bisschen wachsen müssen. 

Als ich von der Ausschabung der Plazenta zurück war, hatten wir sie den ganzen Tag bei uns. Die liebe Sternenkinderfotografin hat uns wunderschöne Bilder für die Ewigkeit geschaffen und Oma und Opa kamen sie besuchen. 

Abends durften wir dann heim. Das holte uns von unserer Wolke 7 herunter, denn wir mussten ohne sie gehen. Ein Gefühl, dass mich heute wieder mit genauso viel Schmerz erfüllt, wie an diesem 5. Juli 2017. 

 

Nicht mehr allein

 

Anstatt sie im Dezember gesund und munter mit nachhause zu nehmen, mussten wir sie beerdigen. Bei meiner Schwester, Lottas Sternentante, die nach 35 Jahren nun nicht mehr allein ist... 

Und die beiden Mädels haben später noch Verstärkung bekommen. Denn Lottas kleiner Bruder hat in der 8. Schwangerschaftswoche entschieden, bei seiner großen Schwester sein zu wollen. Lotta und Nicki – bis zum letzten Atemzug seid ihr fest in unseren Herzen und danach sehen wir uns hoffentlich wieder. 

 

Eure Mama Melani