Ein Jahr Trauergruppe bei Hope's Angel in Siegburg

Heute Abend starten wir mit unserer fünften Trauergruppe und schon wieder stehen Eltern auf unserer Warteliste.

Christoph, ein Papa aus unseren Gruppen, hat uns einen Bericht über seine Zeit in der Trauergruppe zukommen lassen, den wir ausdrücklich teilen dürfen.

 

"Da stand ich nun mit Tränen in den Augen und bibbernder Unterlippe. Der Blick übers schöne Bergische Lande an einem Sommertag. Es war der Tag der offenen Tür im September 2017 und hier traf ich das erste Mal auf die „Hope’s Angel“. Birgit zeigte uns die Praxisräume, führte uns rum, erzählte uns in ihrer ruhigen Art über ihre Arbeit. Wir konnten sehr nette Menschen kennen lernen, die bereits ein Jahr regelmäßig zu den Gruppentreffen gingen. Ein sehr inspirierender, aber in meiner damaligen Situation total überfordernder Ort. Ich konnte eigentlich nur zuhören. Mir fiel es schwer zu sprechen – immer wieder kamen mir die Tränen hoch und ich konnte überhaupt nicht viel sagen. Zum Abschluss ließen wir für unsere verstorbenen Kinder Ballons steigen. Und als ob unsere Kinder uns ein Zeichen gesendet hätten, stach ganz kurz die Sonne zwischen dem Regen verhangenen Himmel durch und ein riesiger Regenbogen entstand.

Damals, das ist jene Zeit, als es erst 2 Monate nach der stillen Geburt meiner Tochter war. Die Zeit, als es sich anfühlte, als würde die Welt kurz stehen bleiben und man vor lauter Verzweiflung innerlich zerbrechen. Jeder Gedanke und jedes Gespräch über das Erlebte lassen einen schier zusammenbrechen. Das eigene Leben scheint nicht mehr weiter zu gehen.

Heute, das ist mehr als ein Jahr danach, kurz nach dem ersten Jahrestag – dem ersten Geburtstag – sieht die Welt schon anders aus. Vergessen werde ich nie – will ich niemals. Ich habe viel gelernt in diesem ersten Jahr. Bei Hope’s Angel haben wir die Möglichkeit unter uns über das zu sprechen, was uns gerade in unserem Leben bewegt. Welche Herausforderungen gerade anstehen oder welche Fragen uns bewegen. Wichtig ist, wir sind nie an einem Punkt stehen geblieben. Nur einmal, ganz am Anfang beim ersten Treffen, muss jedes Paar einmal seine Geschichte erzählen. Danach nie mehr, weil wir gemeinsam weiter gegangen sind und nicht jedes Mal am Anfang beginnen wollen. Das war sehr hart, aber wir haben gelernt, das gemeinsam auszuhalten, da jeder anders mit seiner Situation umgeht. Ehrlich gesagt sind wir schon eine zusammengewürfelte Truppe, die unter anderen Umständen wahrscheinlich nie zusammengekommen wären. Ich finde es bemerkenswert, dass wir so zusammengeschweißt sind, obwohl wir uns nur einmal im Monat treffen. Sehr bewegend sind die Jahrestage, auf die wir alle „hinarbeiten“. Birgit ist da wie eine Vorhersagerin: der Tag selber ist gar nicht so schlimm – die Wochen und Tage vorher sind sehr aufreibend und schießen das Ereignis noch einmal sehr intensiv ins Gedächtnis. Genauso ist es auch eingetroffen. Gemeinsam feiern wir den jeweiligen Geburtstag des Kindes. Wie bei einem Kindergeburtstag gibt es einen Kuchen und alle Gruppenmitglieder schenken den Eltern etwas für ihr Kind. Wenn ich das so erzähle, ist es für mich schon total normal geworden – für „Außenstehende“ wirkt es manchmal etwas befremdlich, aber das ist mir mittlerweile egal – das müssen die Außenstehenden aushalten. Die Geburtstagseltern zeigen ihre Bilder vom Kind, soweit vorhanden und man merkt, dass es bei weitem nicht mehr so schlimm ist, wie noch vor einem Jahr.  

Was haben wir in einem Jahr gelernt? Trauerarbeit ist ein Prozess. Dieser Prozess braucht Zeit. Während dieser Zeit ändert man seine Meinung und die Sicht auf das Geschehene. Beispielsweise war für mich der Aspekt, dass man Dankbarkeit für die kurze Zeit empfinden könnte, die man mit seinem Kind hatte, am Anfang total abstrus. Ich fand das am Anfang total abwegig! Mittlerweile denke ich anders darüber und kann auch Dankbarkeit dafür empfinden. Ich musste lernen auf mich zu hören, was ich gerade brauche und was mir gerade guttut. Das verändert sich mit der Zeit und immer wieder muss man auf sich schauen. Die Trauer wird in der Partnerschaft unterschiedlich verarbeitet. Man lernt sich neu kennen und muss auf eine neue, vielleicht bis dahin unbekannte Art, an der Partnerschaft, Vertrauen und Verständnis, arbeiten. Man lernt auch wieder zu lachen. Trotz der Traurigkeit, der Hilflosigkeit, dürfen wir lachen und das tun wir bei den Treffen auch. Ich habe verstanden, dass es nicht darum geht zu vergessen oder los zu lassen. Viel mehr ist es meine Aufgabe, mein Kind in mein Leben zu integrieren, welches physisch nicht da, nicht greifbar ist. Für mich war das ein riesiger Schritt, diese Gegebenheit hin zu nehmen und anzunehmen. Unsere Geschichten sind alle unterschiedlich. Gleich ist, dass wir Eltern von Sternenkindern sind. Wir müssen lernen, uns zu schützen, indem wir lernen, wem wir was und wie viel von unseren Geschichten erzählen. Oft geht dies durch ausprobieren. Irgendwann weiß man, wem man alles, nur einen Teil der Geschichte oder gar nichts erzählt. Ich habe gelernt zu weinen, es zu zulassen und dies auch als Möglichkeit der Erleichterung zu empfinden. Mit jedem Mal Weinen wird das Erlebte ein stückweit leichter.

Am Anfang weiß man nicht, wie groß der Berg ist, der vor einem liegt und den man durch die Trauerarbeit abtragen muss. Ich glaube, das ist auch gut so, sonst würde man direkt zusammenbrechen und gar nicht erst beginnen. Durch Hope’s Angel habe ich Hammer und Schaufel in die Hand bekommen und gelernt, wie ich den Berg abtragen kann. Manchmal hat man nur einen Löffel, aber manchmal auch einen Bagger. Nach einem Jahr muss man sich aber auch Mut machen und vor Augen halten, wie viel man schon geschafft hat.

 

Beim Jahrestag meiner Tochter ließen wir bei Hope’s Angel in der Trauergruppe wieder Ballons steigen. Diesmal ein wunderschöner Sommertag bei strahlemden Sonnenschein. Auch wieder sinnbildlich für unsere Stimmung – ganz im Gegenteil zum Regen verhangenen Himmel noch vor einem Jahr."

 

 

Die Eltern dürfen kostenfrei an unseren Trauergruppen teilnehmen. Wenn Sie unsere Arbeit unterstützen möchten, freuen wir uns über Ihre Spende an unseren gemeinnützigen Verein Hope's Angel Foundation e.V.!