Noch nie in meinem Leben...

habe ich bis zu meinem 36. Lebensjahr eine Frau persönlich kennengelernt, die eine Fehlgeburt erlebt hatte. 

Im Dezember 2008 zog mein Freund aus der Schweiz zu mir nach Köln. Ein großer Schritt für beide. Im Januar war ich direkt schwanger. 

 

Kein Wort konnte ich sprechen

 

Am 8. April ging ich zur „normalen Kontrolluntersuchung“ zu meiner Ärztin. Einen Mutterpass hatte ich schon lange mit vielen schönen Bildern. An diesem Tag war leider nur die Urlaubsvertretung da, die - im Nachhinein betrachtet - alles falsch machte, was man nur falsch machen kann. Heute denke ich, sie war selbst damit überfordert als sehr junge Vertetungsärztin.

„Ich sehe keine Herztöne mehr!“, hörte ich eine Stimme im Raum und dann nur Schweigen.

„Ich schreibe Ihnen eine Überweisung für die Klinik, die sollen DAS bitte auch noch mal bestätigen. Dort wird man mit Ihnen die weitere VORGEHENSWEISE besprechen!“

Ich weiß eigentlich nur noch, dass ich mit meinem Rad die zwei Strassen heimgefahren bin. Meinen Freund musste ich wohl auch noch angerufen haben, weil er eine Stunde später mit mir im Taxi auf dem Weg zur Klinik saß.

Kein Wort konnte ich sprechen. 

 

DAFÜR ist die normale Frauenstation zuständig

 

Wo geht man eigentlich hin, wenn man ein Baby ohne Herzschlag im Bauch hat? In den Kreißsaal? In die Notfallambulanz? Wir wussten es nicht und der freundliche Mann an der Klinik-Info auch nicht. 

Wir sind tatsächlich zum Kreißsaal, weil wir dachten, die haben ja irgendwie damit zu tun vielleicht. 

Hört sich aus der heutigen Betrachtung alles etwas naiv an, aber man musste uns wirklich sagen, dass die normale Frauenstation DAFÜR zuständig sei. Netterweise rief die Hebamme dort schon mal an. Wir warteten auf dem Flur auf die Ärztin, während Mütter in Morgenmänteln mit ihren frisch entbundenen Babys an uns vorbeischoben. 

Ich kann den Befund leider nur bestätigen

 

Eine wieder sehr junge Ärztin untersuchte mich und konnte auch nur den Satz aussprechen: „Ich kann den Befund leider nur bestätigen! Ich gebe Ihnen jetzt hier alle Formulare, die Sie bitte für die anstehende Operation unterschreiben und dann sind Sie bitte morgen früh um 7 Uhr nüchtern hier.“

Mein Freund war genauso sprachlos, hilflos und einfach nur geschockt. Wir fuhren heim und hatten immer noch nicht realisiert, was man uns mitteilen wollte. 

Ich weiß von den nächsten Stunden nicht mehr viel. 

 

Es passierte dann aber noch etwas, über das wir heute noch oft sprechen. Mein Freund berichtete mir morgens, daß er einen Traum hatte in der Nacht. Ein kleines Mädchen fuhr vor ihm in einem Auto weg und winkte dabei fröhlich lächelnd durch die Heckscheibe des Wagens. Dieser Traum wirkt so nach, daß er immer wieder bei uns thematisiert wird.

 

Eine Sammelbestattung wurde empfohlen

 

Punkt 7 Uhr saßen wir im Wartezimmer der Gynäkologischen Abteilung der Klinik. Eine freundliche Schwester kam rein, gab mir OP-Kittel und Strümpfe und wieder Flyer und Broschüren. Diesmal mit der Frage: „Wollen Sie ihr Kind eigentlich selbst beerdigen, oder sollen wir das für Sie übernehmen?“ Da war es, erstmals hatte es jemand ausgesprochen.

Eine Sammelbestattung wurde empfohlen und wir stimmten zu. Wieder keine Ahnung von Nichts und nicht vorbereitet. 

Vier Stunden habe ich dann noch auf die OP gewartet, weil zwei Notkaiserschnitte dazwischen kamen. Nach der OP verabschiedete uns die diensthabende Ärztin auf meine Frage, wie es denn jetzt weitergehe, mit den Worten: „Sie können arbeiten gehen und große Schonung brauchen Sie auch nicht. Sie können alles machen, wenn Sie nicht gerade Marathon laufen wollen. Mit der nächsten Schwangerschaft würde ich ca. 3 Monate warten und dann legen Sie einfach wieder los! Alles Gute für Sie beide!“ Ich möchte an dieser Stelle nicht groß ausführen, dass die Klinik da großen Schulungsbedarf hatte und das bestimmt auch nachgeholt hat.

 

Das Umfeld reagierte auch sehr hilflos und teilweise sehr unbedacht.

 

Ich möchte an dieser Stelle Mut machen und einen Weg aufzeigen, daß es so nicht ablaufen muss wie oben beschrieben.

 

Ich war tatsächlich schnell wieder schwanger und bekam einen gesunden Sohn im Mai 2010. 

 

Es konnte auch anders ausgehen

 

Am Mittwoch vor Karneval 2013 saß ich wieder schwanger bei einer neuen Frauenärztin. Es war die 8. Woche nach meiner Berechnung und sollte die 2. Untersuchung sein. Ich war entspannter geworden und plante im Kopf immer mit ein, daß es auch anders ausgehen kann. Als mir diesmal mitgeteilt wurde, daß kein Herzschlag zu sehen sei, war ich gefasster und nicht mehr so geschockt. Es war extrem traurig, aber was ich nicht mehr wollte: in die Klinik.

 

Ich war so erleichtert

 

Meine Ärztin sprach in aller Ruhe mit mir über die Option, daß das Baby nicht mit einer OP „entfernt“ werden müsse, sondern bei täglicher Kontrolle in der Praxis, auch daheim auf natürlichem Wege seinen Weg finden könne. Ich war so erleichtert über diese Möglichkeit und ließ mir eine Spritze zur Einleitung geben. Ich hatte kaum Schmerzen. Es setzten Blutungen ein wie eine stärkere Periode und ich konnte auf vollkommen natürlichem Wege loslassen. Ich weiß, dass es nicht für jede Frau die beste Möglichkeit ist, aber ich finde es wichtig für alle Frauen zu wissen, dass es in der frühen Schwangerschaft auch noch die andere Möglichkeit gibt. 

 

Ich bin dankbar für diese Erfahrung

 

Daheim geschützt in meinen eigenen vier Wänden war es für mich ein Segen, eine Ärztin an meiner Seite zu wissen, die mich dabei begleitete und deren Privatnummer ich für Notfälle hatte. Ich bin dankbar für diese Erfahrung. 

 

Meine Botschaft

 

Von Trauergruppen für Mütter mit Fehlgeburten oder von Menschen wie Birgit Rutz hatte ich auch da immer noch nichts gehört. Ich wäre hingegangen und wünsche mir in diesem Bereich noch viel mehr Aufklärung, auch durch Hebammen und Ärzte. Ich stelle fest, daß viele Frauen immer noch (gerade in Frühschwangerschaften) alles mit sich alleine ausmachen müssen. Meine Botschaft daher an alle betroffenen Frauen, redet noch mehr darüber und auch innerhalb der Familie. Ich kenne viele Geschwisterkinder, die gar nichts davon wissen, dass es ein Sternenkind vor ihnen gab und auch seinen Platz hat. 

Im Familiensystem merken Kinder das sowieso unterbewusst, daß sie gar nicht das ältere Geschwisterkind sind. Es ist immer eine Erleichterung für alle, darüber zu reden. 

 

Was wäre bei uns wohl los?

 

Mein Sohn rechnet mit mir oft durch, wie alt seine beiden Sternengeschwister wohl wären und was bei uns wohl so los wäre, wenn die beiden Sternchen auch noch mit am Tisch säßen. 

 

Als Systemischer Coach und wingwave Coach komme ich immer wieder in Berührung mit Menschen, die merken, wie heilsam es ist, über die Sternenkinder zu sprechen und im Nachgang die Situation zu verarbeiten. 

 

Viele Frauen empfinden nicht nur Trauer, sondern auch Gefühle wie Scham und Wut. Scham, das man es nicht geschafft hat, dem Mann ein gesundes Kind zu schenken. Wut auf den eigenen Körper, Neid auf alle, die es geschafft haben. Blockierte Gefühle, die nicht zugelassen werden, können sich zu körperlichen Symptomen manifestieren.

 

Daher zum Schluß von mir:

 

- Hol dir Hilfe!

- Bleib mit deinen Gefühlen nicht allein!

- Und das geht auch noch, wenn es schon Jahre her ist!

 

www.susannebuerger.com