Der schwerste Weg

Es ist eiskalt und wir kommen mit dicken Jacken und Stiefeln auf den Friedhof - mein Kollege und ich. Der Atem ist deutlich zu sehen und die Finger sind schnell steifgefroren.
Aber die Luft ist wunderbar klar und die Sonne strahlt.

Das kleine Grab ist schon ausgehoben - wir verteilen noch ein paar bunte Blütenblätter auf dem künstlichen Rasen, den die Friedhofsmitarbeiter um das Grab herumgelegt haben. Der Eimer mit dem Sand und der kleinen Schaufel steht daneben.

Nachdem wir alles vorbereitet haben, wandere ich noch einmal an allen Gräbern auf diesem Gräberfeld vorbei - liegen doch auch andere Hope‘s Angel Kinder hier. Ich begrüsse sie und wir schicken gemeinsam im Herzen einen Gruss an ihre Familien.

Wir bringen das Auto nach draussen und treffen dort die Eltern.
„Birgit, ich glaube, ich muss mich übergeben. Ich schaff das heute nicht!“
Ich nehme die Mama in den Arm und halte sie. Die letzten Tage waren wir immer wieder gemeinsam kleine Schritte gegangen, weil grosse einfach nicht möglich waren. Es waren so viele emotionale Hürden da. Jede haben wie gemeinsam gemeistert - immer im Tempo der Eltern.

„Birgit, wo ist hier die Toilette? Ich muss mich wirklich übergeben!“
Wir zeigen ihr, wo die Toilette ist und sagen ihr, dass sie sich Zeit nehmen soll. „Wir schaffen das heute auch gemeinsam - so, wie wir all die anderen Schritte auch geschafft haben!“, versichere ich der Mama.

Wir begeben uns mit dem Papa und der Urne langsam zur Friedhofskapelle, von der aus wir unseren kleinen Trauerzug starten wollen.

Wir warten dort auf die Mama. Als sie wiederkommt, gebe ich ihr noch einmal die Versicherung, dass sie das schaffen wird heute - ganz auf ihre Weise und in ihrem Tempo.
Sie holt noch einmal tief Luft und dann nickt sie mir zu.

Dann läuten die Glocken der Friedhofskapelle und wir machen uns auf den Weg - den wohl schwersten Weg, den Eltern je gehen können: wir begraben ihr Kind.