Anders oder normal?

Diesen Satz sagte Maja letztens am Telefon zu meiner Kollegin. Sie rief ziemlich verwirrt und aufgeregt an. Der erste Geburtstag ihrer verstorbenen Tochter Lene stand an und sie hatte das Gefühl, verrückt zu werden. Intensivste Gefühle waren unterwegs und sie kam innerlich gar nicht mehr zur Ruhe. Sie war so aufgewühlt, dass sie nicht mehr schlafen konnte und sie auch am Tag gar keine Ordnung mehr in ihre Gedanken bekam. Das kann ja nicht normal sein.
„Ach, Sie können mir eh nicht helfen - ich bin halt nicht normal und anders als die anderen!“ - mit diesen Worten legte sie auf.
Sie hatte auch einen kleinen schriftlichen Hilferuf an mich geschickt - wir hatten vor einem Jahr eine intensive Zeit, als es die schweren Diagnosen gab und wir alles gemeinsam für die Geburt ihrer verstorbenen Tochter vorbereiteten.

„Liebe Maja, die Jahrestage - besonders der erste - sind eine enorme Herausforderung. Es ist also „normal“, dass es Ihnen so geht“, schrieb ich ihr. „Nehmen Sie sich zurück die nächsten Tage und begehen Sie Lenes Geburtstag als einen besonderen Tag. Es wird besser nach dem Jahrestag.“

Immer wieder erleben wir in der Begleitung, dass die Trauernden glauben, sie seien nicht normal. Dabei sind sie aber sowas von normal😉Es liegt daran, dass wir keine Erfahrung im Umgang mit Trauer und ihren intensiven Gefühlen haben. Zudem spiegelt die Aussenwelt ja auch immer wieder, dass es gar nicht so schlimm ist, wenn das Baby, dass wir ja eh nicht gekannt haben und das sowieso krank war, gestorben ist. Diese Banalisierung treibt die Eltern oft in eine Art Isolation und gibt ihnen das Gefühl, nicht normal zu sein.

Wir müssen aufklären und Räume öffnen, die gross genug sind für die Trauer, die jeder einzelne für sich braucht. Die so wertungsfrei sind, dass jeder sich so weit ausbreiten darf, wie er/sie es eben für sich braucht. Und wir müssen aufhören zu bewerten, ob es angebracht ist. Das steht uns überhaupt nicht zu und bringt zudem auch überhaupt keinen Nutzen.